Das Jahr neigt sich dem Ende, es wird immer kälter und in Wuppertal werden wir ständig eingeschneit. Kein Modewetter, keine inspirierende Zeit. Bis zu den nächsten Shows dauert es noch ein paar Wochen. Somit kommen andere Dinge auf den Plan, wie zum Beispiel die Suche nach neuen Räumlichkeiten. Mein Büro ist zu klein geworden, „kleinschrumpfen“ ist zwar finanziell manchmal besser, man kommt aber sehr schnell an seine Grenzen.

Ich mag Grenzen nicht so gerne. Wie das Wort schon sagt, grenzt es ein, lässt Wachstum und Bewegung nicht zu. In der Mode ist es ganz ähnlich. Viele Designer bauen ihre Kollektion konzeptionel über ein Reißbrett auf. Gehen vom Bedarf des Kunden aus, damit am Ende auch Geld verdient werden kann. Dabei bleiben sie immer im Bereich des verträglichen, schauen nicht über den Tellerrand, wenn es um Materialien geht, um Schnitte, um Accessoires. Bloß nicht auffallen, bloß nicht polarisieren. Nicht die „vorgeschriebenen“ oder eigenen Grenzen überschreiten. In der Haut Couture ist das etwas anderes, da kann es nicht schrill genug zugehen. Nur ist das dann oft nicht tragbar. Aber was ist mit den Menschen, die das Besondere suchen? Kleidung, die nicht alltäglich scheint. Eine Mode, die mit der Seele eines Künstlers geformt wurde, nicht am Reißbrett. Aber tragbar und individuell?

Claudio hat den Auftrag von Kai Gerhardt erhalten, für seine neue Kollektion BLACKANDWHITEARENOTGREY zu modeln. Ich begleite ihn nach Berlin, da mich die Arbeit des Berliner Men’s-Wear-Designers sehr interessiert. Es ist die zweite und auch persönlichste Kollektion, bei der er ganz bewußt darauf verzichtet hat, konzeptionell zu arbeiten. Sie setzt sich mit den Facetten des Bewusstseins auseinander. Die Autorin Laura Miess schrieb im HUF Magazin:
„Mit seiner neuen Kollektion BLACKANDWHITEARENOTGREY ist er keinen greifbaren Inspirationen gefolgt. Vielmehr entziehen sich die weißen und schwarzen Kleidungsstücke jeglicher Assoziation mit dem Sichtbaren und uns Bekannten. Sie sind Abbilder und Interpretationen plötzlicher Gedanken und Gefühle des Designers.
Kai Gerhardt hat Bilder eingefangen, die vor seinem inneren Augen vorbeizogen. Er hat auf Instinktives gehört und ist Eingebungen gefolgt. Alles wurde zugelassen und nichts bewertet. Mit seiner Kollektion BLACKANDWHITEARENOTGREY erforscht Kai Gerhardt Wahrnehmungen durch alle Bewusstseinsebenen hinweg. „BLACKANDWHITEARENOTGREY ist keine Kollektion von Kontrasten, sondern vielmehr ein Experiment mit unterschiedlichen Facetten“, so der Designer. „Es geht nicht um Schwarz und Weiß, sondern um die Vielfalt, die sich hinter dem scheinbar so Eindeutigen verbirgt.“
Die Gestaltung des Editorials spiegelt die Auseinandersetzung der Kollektion mit den Bewusstseinsebenen wider. Die Modelle scheinen Wesen aus einer anderen Welt zu sein, die die Kamera nur für einen Augenblick einfangen konnte. Sie wirken wie Bilder von Wahrnehmungen. Ihr Ausdruck ist eindringlich, aber gleichzeitig flüchtig.“


Kai Gerhardt, 1981 in Meissen geboren, studierte zunächst Philosophie und Geschichte in Dresden. Noch vor dem Prüfungssemester bricht er ab, um an der „Universität der Künste“ in Berlin Modedesign zu studieren. Seine Bachelorarbeit „PUT YOUR LIGHTS ON“ ist seine erste Kollektion unter eigenem Namen. Mit der ersten kommerziellen Kollektion „BLACKANDWHITEARENOTGREY“ beginnt er seinen Master. Es folgt einen Fashionfilm in Cooperation mit einem Tänzer. Erste Arbeitserfahrung sammelt er unter anderem bei dem Berliner Label Mads Dinesen. Er war für den German Design Award 2017 nominiert und wurde 2015 mit dem European Fashion Award FASH ausgezeichnet. Œ Magazine, ODDA Magazine und KALTBLUT Magazine haben bereits über Kai Gerhardt und seinen Kollektionen berichtet. 2016 präsentierte er seine Mode im Rahmen der Berlin-Fashion-Week.


Auf meine Frage warum er Mode macht antwortet er:
„Ich finde diese Frage meist etwas schwierig zu beantworten, aber wahrscheinlich nur weil meine Antwort sehr simpel ist. Es ist das, was ich machen möchte. Ich habe schon andere Sachen gemacht, andere Fächer studiert, bin gereist, hab zwei Läden aufgemacht. Und so sehr ich das alles nicht und auf keinen Fall missen möchte, habe ich bei der Mode das Gefühl, dass gefunden zu haben was ich wirklich tun möchte. Ich habe mich an der Uni eingeschrieben, weil ich nach 2 Jahren Eigenarbeit und Experimentieren an der Nähmaschine wissen wollte wie man Klamotten macht. Darauf habe ich mich zu Beginn meines Studiums sehr fixiert, aber mit der Zeit habe ich auch mal losgelassen und mich mit der Mode auseinandergesetzt ohne einen Focus auf Bekleidung, Funktion oder Gender. Dieser Ausflug hat mir sehr Spaß gemacht und mich motiviert. Ich glaube, diese Erfahrungen und meinem Hang zur Textilkreation bis zur Manipulation haben meinen Stil entstehen lassen…“


Wer modisch oder in Trends denkt, wird sicher staunen, wenn er das erste Mal auf eine Kollektion von Kai Gerhardt trifft. Wer aber fühlen kann, sich hingibt in eine neue Welt, auf ein neues Level seines bewußten modischen Ausdrucks, der wird sich hier wieder finden. Ich lade hiermit ein, die Augen offen zu halten und sich nicht nur etwas von Kai Gerhardt anzusehen, sondern sich mit seinen Kreationen zu umgeben. Anziehen, fühlen, verstehen…
Die Kollektion BLACKANDWHITEARENOTGREY besteht aus 33 Kleidungsstücken und 17 Accessoires. Alle Kleidungsstücke wurden in Berlin aus natürlichen Stoffen und Materialen (Wolle, Leinen, Baumwollen, Viskose) hergestellt.
Zu kaufen gibt es die Kollektionen bei:
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